Gestern war ich Gastredner in einem Managementforum zum Thema „Warum
Manager auch Piloten sind.“ Es ging um Entscheidungen, Führung und Kommunikation
und was man von Piloten lernen kann.
In der anschließenden Diskussionsrunde wurde mir die Frage
gestellt, ob denn der Beruf eines Piloten immer noch erstrebenswert ist oder der
Traum schon verblasst sei. Meine Antwort lautete:
Sicher ist die Tätigkeit Pilot immer noch bei vielen ein
Wunschtraum. Denkt man an den Film „Catch me if you can“ mit Leonardo DiCaprio in
der Hauptrolle, hat man ein Bild von eleganten
Uniformen mit goldenen Streifen, sich spiegelnden Sonnenbrillen sowie (bezahlte)
Urlaube in tollen Hotels an weißen Sandstränden mit netten Kolleginnen und
Kollegen vor den Augen.
Nur hat sich diese Tätigkeit, und ich rede bewusst von einer
Tätigkeit, heute komplett verändert. Tätigkeit deshalb, weil „Pilot“ in Deutschland
leider kein anerkannter Ausbildungsberuf ist. Man erwirbt quasi auf eigene
Kosten „nur“ die Lizenz, eine bestimmte Tätigkeit auszuüben. Der Einfachheit
halber kann man es mit der Qualifikation zum Taxifahrer vergleichen (die
Piloten mögen mir verzeihen). Es klingt zwar überspitzt, jedoch bringt es die
Sache auf den Punkt: Der Taxifahrer macht zunächst seinen Führerschein und muss
dann eine Prüfung zur Erlangung der Personenbeförderungslizenz ablegen. Mit
dieser Lizenz darf er ein Taxi fahren und Fahrgäste befördern. Natürlich ist
die Pilotenausbildung wesentlich anspruchsvoller, komplexer und auch mit viel
höheren Kosten verbunden. Am Ende hält man ebenfalls eine Lizenz in der Hand,
um Verkehrsflugzeuge mit Passagieren von A nach B fliegen zu dürfen.
Auf dem morgendlichen Weg zur RWY 27 in EPKT mit einem A320 |
Nur was
passiert, wenn man aufgrund von gesundheitlichen Einschränkungen (und der
medizinische Rahmen ist hier eng gefasst) fluguntauglich wird? Da steht man buchstäblich
als „Ungelernter“ auf der Straße, da man ja „nur“ eine lizensierte Tätigkeit erlernt hat. Man kann diesen hoffentlich nie eintretenden Fall heute mit einer
sogenannten Loss-of-License Versicherung (Spezialversicherung für Flugpersonal) absichern. Tritt allerdings die
Berufsunfähigkeit in einem frühen Lebensalter ein, wird die Versicherungsleistung kaum ausreichen, um die gezahlten Ausbildungskosten abzutragen sowie
die Versorgungslücke im Alter zu schließen. Hier ist es wichtig, sich ein
zweites Standbein zu schaffen. Entweder zuerst einen gewerblichen Beruf
erlernen, dann die Pilotenausbildung starten oder die Pilotenausbildung gleich
oder später mit einem Studium (z. B. Aviation Management oder Luftfahrtsystemtechnik)
kombinieren. Letzteres ist der Königsweg und eröffnet jedem Piloten viel mehr Optionen, auch
bei eingetretener Fluguntauglichkeit einer Tätigkeit mit geregeltem
Einkommen nachzugehen. Und ich spreche hier aus eigener Erfahrung als BWL’er, Pilot und Gründer
einer Pilotenschule. Im Übrigen würde es diese Diskussion z. B. in Osteuropa nicht geben, denn dort war die Pilotenausbildung nur mit einem Studium möglich und so der Weg ins Cockpit (einer Staatsairline) bereits vorgezeichnet, mit einem Dipl.-Ing. in der Tasche.
Jedoch noch einmal zur Ausgangsfrage zum „Traumjob“ zurück:
Früher (vor ca. 25 Jahren) spielte es sich bei den großen Staatsairlines so
ähnlich ab wie im beschriebenen Film. Durch die strukturelle Veränderung des
Luftverkehrs mit der Etablierung sogenannter Billigfluglinien hat sich die Tätigkeit
„Pilot“ komplett verändert. Auslastung der Flugzeuge, Produktivität (also
maximale Ressourcenoptimierung) sowie Kostenoptimierung sind heute die
Kennzahlen (Key Performance Indicators), an denen sich Airline-Manager am Jahresende messen lassen müssen. Das hat Folgen für den Piloten bzw. das Flugpersonal allgemein: Niedrige Einstiegsgehälter,
lange Einsatzzeiten und nicht vorhersehbare Arbeitsmarktbewegungen (z. B. ausgelöst
durch 9/11 oder aktuelles Thema Flugscham, etc.) erfordern heute maximale Flexibilität
vom Personal. Zudem gibt es immer noch mehr Bewerber als freie Stellen auf dem Arbeitsmarkt. Und immer wieder muss man sich bewusst mit dem Thema Absicherung seiner
Familie und des Alters im Falle einer drohenden Fluguntauglichkeit oder auch Arbeitslosigkeit auseinandersetzen. Stichwort zweites Standbein in Form eines anerkannten Zweitberufes oder
eines Studiums!
Dennoch ist es immer wieder ein erhebendes Gefühl, an einem grauen und regnerischen Herbsttag kurz nach dem Start die Wolkendecke zu durchstoßen und vom Cockpit aus in den goldenen Sonnenaufgang zu blicken. Das sind die Augenblicke, wo man dann gern die Strapazen und Kosten der Ausbildung in Kauf nahm. Und hat einem einmal der Flugvirus befallen, wird man ihn ein Leben lang nicht mehr los.